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Krieg oder kein Krieg?

Vor zwei Wochen erhielt mein Mitbewohner den Brief.

Er wird zum 10. September für 5 Tage zu seinem Reservedienst im Norden Israels erwartet.

In Israel müssen Männer bis zu ihrem 42. Lebensjahr, Frauen bis zum 24. Lebensjahr, jährlich bis zu einem Monat Reservedienst für das Militär leisten.

Mein Mitbewohner ist besorgt. Normalerweise erwischt es ihn im Frühling. „Nun werde ich Mitte September eingezogen, genau dann, wann es losgehen soll, wie alle sagen.“ Er bezieht sich auf den Krieg mit Iran. Vieles wird darüber gesagt, man munkelt, dass es Mitte September losgehen soll.

Ich verstehe seinen Unmut, er muss noch diverse Hausarbeiten für die Universität schreiben, danach wollte er eigentlich ein paar Wochen Urlaub machen.

Ich glaube nicht, dass es einen Krieg gibt, d.h. ich weiß es nicht. Ich bin in einem Land groß geworden, dass seit 67 Jahren keinen Krieg mehr erlebt hat und auch sobald keinen erleben wird. Meine Freunde und ich, wir reden nie über Krieg, das passiert ja anderswo. Also ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung von Krieg.

Doch hier ist er omnipräsent. Seinen Höhepunkt fand das Kriegsgerede letztes Wochenende.

Am Donnerstag twittert eine Reporterin des Fernsehkanals Channel 10, dass es am Samstag eine Extra-Sendung zum Irankrieg geben soll.

Gerüchte schlugen um sich. Premierminister Netanyahu hat wichtige Medienvertreter zu einer inoffiziellen Pressekonferenz am Samstagabend eingeladen, hieß es.

„Das bedeutet Krieg“, schrien die einen, „jetzt geht es los.“

„So beginnt man keinen Krieg!“ ,rufen die anders.

Besorgt sind sie alle.

Mein Mitbewohner ist sauer. Er hat am Sonntag eine wichtige Klausur. „Wie soll mich so konzentrieren? Soll ich überhaupt noch dafür lernen? Wer weiß, ob sie stattfindet? Vielleicht kriege ich gleich schon eine SMS mit dem geheimen Code. Dann muss ich meine Sachen packen und mich an einem bestimmten Ort begeben, wo mich das Militär abholt. Dann ist Krieg!“

Wir wissen es nicht. Er beschließt trotzdem zu lernen. Er verbringt den Samstag grummelnd an seinem Schreibtisch. Ich fahre mit Herzklopfen zum Toten Meer, wo ich jede Stunde die Haaretz App auf Kriegsmeldungen prüfe.

Abends kochen wir zusammen, Trina mit Pita. „Falscher Alarm, was?“, grinsen wir. Wir sind ziemlich erleichtert.

Trotzdem findet mein Mitbewohner wir sollten uns langsam mal überlegen, wo der nächste Bunker ist. Unser Haus hat keinen Luftschutzraum. Bunker kenne ich aus Deutschland, sie sind groß und aus Beton. In dem Bunker in Hamburg gibt es meist coole Partys.

„Der Bunker muss uns gegen die Raketen schützen.“, sagt mein Mitbewohner. Er sollte möglichst unter der Erde sein. Wir laufen an Cafés vorbei, in denen junge Leute mit ausgefallenen Klamotten und großen Nickelbrillen vor ihren Apple sitzen. Sie machen sich keine Sorge über Bunker.

Schließlich finden wir eine Lösung. Die Tiefgarage unter dem Habima Platz. Eigentlich für die Autos eifriger Theaterbesucher gedacht, eignet sie sich perfekt. Großräumig und mit mehreren Aufgängen, nur 2 Minuten von uns. Ich muss ein bisschen Lachen: Bunkersuche, das klingt wie ein Kinderspiel.

Dann vergessen wir das Thema wieder. Und auch in den Medien wird es ruhiger.

Die Tageszeitung Israel Hayom, bekannt als Sprachrohr Natanyahus, welche in den vergangenen Wochen mit Vorliebe Artikel über die iranische Bedrohung auf ihrer Titelseite druckte, scheint seit letztem Freitag auf andere Themen, fern dem Krieg, auszuweichen. (Siehe Haaretz)

Versucht Netanyahu einen leisen Rückzieher?

Um Israel zu beruhigen hat Präsident Obama vor wenigen Tagen offene und verdeckte Maßnahmen gegen den Iran angekündigt, darunter ein neues Radarsystem in Katar zur Raketenabwehr. (Siehe NY Times)

Beruhigende Nachrichten, doch die beste Nachricht erreicht mich heute.

Eine SMS meines Mitbewohners: Sie haben meine Reservedienst gestrichen. Keine Begründung.

Vielleicht ein dummer Zufall, in den man nicht zu viel hinein interpretieren sollte. Vielleicht nur ein Strohhalm nachdem man greift, doch wir beide freuen uns sehr!

Gibt es einen Krieg mit Iran, meine Freunde?

“Heute war ich mit meinem Vater Mittagessen und er hat die ganze Zeit darüber geredet, sich für Gasmasken zu registrieren”, erzählt mein Mitbewohner, “das macht mich wahnsinning!”

“Ach, es passiert schon nichts!”, antwortet seine Freundin. “Sie reden seit Jahren darüber. Jedes Jahr im September fangen sie an, Panik zu machen.”

“Ich will bloss mein Bachelor abschliessen. Gebt mir nur ein weiteres Jahr”, fleht mein Mitbewohner.

“Iran setzt trotz internationalem Druck sein Atomprogramm fort. Wir haben neue Beweise über Fortschritte bei der Entwicklung von Atomwaffen”, sagt Premierminister Benjamin Netanyahu. Und ist Iran erst einmal in Besitz einer Atombombe, so wird es diese gegen Israel einsetzten, so glaubt er.

“Israel ist wie ein Krebsgeschwür und wird bald entfernt werden“, wettert Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei einer Anti-Israel Demonstration vergangenen Freitag.

“Israel kann mittels gezielter Militärschläge das iranische Nuklearprogramm nur verzögern. Die USA hingegen können Operationen durchführen, die die Stabilität dieses Regimes gefährden könnten”, so ein wichtiger Staatsmann, der in der israelischen Tageszeitung Haaretz als der “Entscheidungsträger” zitiert wird.

Obama hält sich bedeckt. Keine Einsatz der US-Army vor den Präsidentschaftswahlen in November. Sein Gegenkandidat befindet, dass “ein nuklearer Iran inakzeptabler wäre”. Romney hält sich alle Optionen offen, um das zu verhindern. Wie auch immer- man weiss nicht wer sein Versprechen nach den Wahlen am 6. November halten oder brechen wird.

“Uns läuft die Zeit davon”, sagt ein Freund von mir, während er uns zum Strand fährt. “Neue Untersuchungen haben ergeben, dass Iran bis März den Schutz seiner Nuklearanlagen so verbessern wird, dass das israelische Militär nicht mehr die Mittel hat, die Anlagen zu attackieren.” Er versucht einen Parkplatz zu finden, eine unmögliche Aufgabe in Tel Aviv. “Wenn Israel angreift, dann jetzt im Herbst. Im Winter wird das Wetter zu bewölkt sein für die Bomber und danach ist es zu spät.”

“… was bedeuten würde eine Angelegenheit, die essenziell für unser Überleben ist, in die Hände der USA zu geben. Israel kann das nicht zulassen”, stimmt der “Entscheidungsträger” zu.

Can you imagine rockets falling on this beach?

Can you imagine rockets falling on this beach?

“Ich glaube diesen Quatsch einfach nicht mehr!”, sagt eine Freundin, der ich helfe, neue Schuhe zu kaufen. Sie liebt Berlin, wie fast alle jungen Leute hier, und möchte unbedingt dorthin ziehen.

“Das Leben hier ist in den letzten Jahren wirklich angenehm geworden”, erzählt mir ein anderer Freund während er Eiskaffee in einen von Tel Avivs hippen Cafes schlürft. “Netanyahu weiss das. Er wird das nicht auf’s Spiel setzten.”

Ganz zu schweigen von den ökonomischen Verlusten.

Das öffentliche Fernsehen zeigt Anleitung zum richtigen Anlegen der Gasmaske. “Gasmaske?”, lacht das Mädchen an der Bar. “Ich weiss noch nicht mal, ob ich eine habe. Ich sollte mal im Keller meiner Oma nachgucken.”

“Die helfen eh nicht,” wirft jemand ein. “Der Filter hält bloss 5 Stunden.”

“Ja, das stimmt,” bestätigt die Freundin meines Mitbewohners. “Aber die Gasmasken setzt man nur auf, wenn man den Bunker verlässt. In den Bunker braucht man sie nicht. Sowieso helfen Gasmasken nur gegen Chemiewaffen, nicht gegen die Raketen.”

Raketen? Nur drei Tage zuvor wurden in Sderot, einer Grenzstadt beim Gazastreifen, zwei Fabriken von Raketen getroffen.

“Wenn wir Iran attackieren, wird es eine Reihe von Gegenangriffen geben. Wir sind umringt von Feinden. Raketen werden von den Hamas im Gazastreifen kommen. Sie sind normalerweise nicht so gut ausgerüstet. Ihre Geschosse werden wahrscheinlich nur den Süden Israels treffen und sie werden nicht besonders genau schiessen. Die Hisbollah im Libanon hat da mehr Erfahrung, würde ich sagen. Ihre Raketen werden grössere Schaden anrichten, besonders im Norden. Aber wirklich problematisch wird es, wenn Syrien sich einklingt, obwohl momentan niemand sagen kann, was dort los ist. Anders als bei den Hamas oder bei der Hisbollah werden die Attacken aus Syrien von der syrischen Armee durchgeführt. Die haben natürrlich eine professionelle Ausrüstung: Flugzeuge und Langstreckenraketen. Mit denen können sie auch Tel Aviv beschiessen”, mein Mitbewohners studiert eigentlich Musik, aber aufgrund seines Militärzeit kennt er sich ganz gut mit Rakten aus.

“Wenn die ersten Raketen fallen, kauf ich mir Popcorn und schau mir das Spektakel von meiner Veranda aus an,” höre ich von einem Bekannten. “Das ist wahr,” nickt ein Arbeitskollege. “Während des letzten Libanonkriegs haben das ein paar Leute gemacht. Sie nehmen es nicht so ernst.”

“Wenn die ersten Raketen fallen, was nach der UN Konferenz Ende September in New York der Fall sein wird, nehme ich mir meinen amerikanischen Pass, überquere die Allenby Brücke nach Jordanien und dann ‘Auf Wiedersehen ihr rechten

Nationalisten!'” Dieser Freund trainiert für einen Marathon, den er im Herbst laufen will.

"About the economy... we need... ah...hmmm... I mean the government...and... aaah...like..." "Look the Iranian Threat"

“About the economy… we need… ah…hmmm… I mean the government…and… aaah…like…”
“Look the Iranian Threat”

“Das ist alles nur Gelaber”, sagt mein Freund als wir endlich den Strand erreichen, “Netanyahu macht Propaganda, um uns von den wirklichen Problemen anzulenken. Und davon haben wir jede Menge: sozial Ungleichheit, steigende Lebenskosten, Arbeitslosigkeit, zunehmende Kriminalität und, und, und.” Er wird in den nächsten Tagen eine Motorradtrip durch Indien starten, ohne Handy, Facebook und schlechten Nachrichten.

“Statistisch gesehen, ist es Zeit für einen weiteren Krieg,” sagt eine weitere Freundin meines Mitbewohners während sie über ihr Herztattoo streicht. “Ich bin wirklich kein Ignorant, aber ich bin müde. Deswegen lese ich keine Nachrichten mehr. Ich habe mich vor Kurzem von meinem Freund getrennt, ich suche dringend einen zweiten Job… Es ist zu viel. Niemand kann das alles tragen.”

“Es ist ziemlich einfach,” sagt der Junge, der neben mir auf einer Luftmatratze über den See Genezareth schwimmt. “Vielleicht haben wir bald Krieg, vielleicht nicht. Wir können es eh nicht ändern.”

Hummus in Jerusalem-Eine Erzählung

Der Muezzin singt von den Höhen des Tempelberges in die Lautsprecher über den Dächern der alten Stadt.

Itamar, der der Hitze in Wanderschuhen trotzt, arbeitet an interviewsfälschenden Journalisten.

Gibt es nicht wichtigere Themen?, nörgelt die Deutsche Zitrone bevor ich sie ausdrücke und sie bis in das besetzte Ostjerusalem spritzt, aus dem abertausend Beseelte in die Al-Aqsa pilgern.

Die Frauen gleich schwarzem Stoff mit Glitzer, manche zeigen nur Augen und Nagellack, zwischen den gelebten Gesichtern unter der Kufiya halte ich Ausschau nach Arrafat, es wäre so ein interessantes Händeschütteln geworden.

So viele Fragen, dachten sich auch die Journalisten auf der Pressekonferenz, als sie falsche Interviews mit Hollywoodgrößen erfanden.

Ich dippe die Pita verständnisvoll in den kichernden Mus, der sitzt schwer, mein Magen spannt sich auf, wenn ich jetzt explodiere, wäre ich nicht die erste.

Doch ich will die Butze des würdigen Alten, der statt Gebeten Falafel frittiert, nicht ruinieren, ich mag seinen Sohn, der so ernsthaft dem Schnottern des halbstarken Hebräers mit amerikanischer Begleitung anhört.

Gleich Basketball und dann Pool erklärt dieser Blondgefärbtem, die gigglen in ihr Iphone.

Sie sind anders, da sie keinen Kreuzfahrtsticker tragen.

Die Sticker gibt es vor der Grabeskirche, sie prügeln sich um den Eingang zur Jesusgruft und küssen mit den Cappies die Steinplatten.

Ich wäre jetzt gern im kühlen Felsendom, Itamar will zurück an den Schreibtisch, er schnalzt die Zunge über Dreiviertel unberührtem Hummus, ich lenke mit Fragen über die Sperranlagen ab.

An deren Pforte klopft ein Hunzelmütterchen und hält sich ihr Palästinensertuch ans Auge, da man Sohn und Dorf zerstört hat.

So einfach ist das nicht, sagt Itamaer, dann sind wir schon verloren in weißgesteinten Gassen, kugeln Treppen hinunter und fallen in einen Pilgerstrom, der uns unter Drücken und Fluchen durch das Damaskustor hinausschwemmt.

Wir stranden in der Bushaltestelle, wo wir uns erschöpft das schweißnasse Haar ausschütteln.

Mein Besuch bei einer Anhörung des Obersten Gerichtshofes zum Abriss einen palästinensischen Dorfes

Letzten Montag hatte ich die Möglichkeit bei einer Anhörung des Obersten Gerichts teilzunehmen. Es sollte über den Abriss des palästinensischen Dorfes Khirbar Zanuta in südlichen Westjordanland beschlossen werden.

Die Zivilverwaltung behauptet, dass Dorf waere auf archäologischen Stätten errichtet und müsse deswegen abgerissen werden.

Die Bewohner des Dorfes leben schon bevor der israelischen Besetzung im 6-Tage-Krieg in 1967an diesem Ort.

Zusammen mit der Association for Civil Rights in Israel haben die 27 Familien des Dorfes eine Petition gegen den Abriss ihres Dorfes eingereicht.

Für mehr Infos lest den Brief der Association for Civil Rights und dieses Haaretz Artikel

Civil Administration calls for demolition of West Bank Palestinian village

Es gab einen Staatsanwalt, der die Interesse der Zivilverwaltung vertrat und eine Anwältin, die sich für die Belange der Dorfbewohner einsetzte. Außerdem war noch ein Anwalt der Siedler anwesend, der zwar nicht direkt mit dem Fall betraut war, aber trotzdem versuchte, die Interessen der Siedler mit in die Diskussion einzubringen.

Da die Anhörung in Hebräisch war, konnte ich nicht viel verstehen. Jedoch erkannte man an der Stimmenlage der Redner und an scharfen Kommentaren zwischen den Anwälten, dass es eine emotionsgeladenen Debatte war.

Schließ

lich beschlossen die drei Richter des Obersten Gerichtshofes, dass der Staat Israels die Verantwortung trägt, eine Alternative für die Dorfbewohner zu finden, nachdem ihr Dorf abgerissen wird.

Der Staat hat 30 Tage Zeit, eine Lösung vorzuschlagen, doch die anwesenen Zuschauer, u.a. von der Association for Civil Rights, waren sich sicher, dass es noch lange dauern wird, bis ein akkzeptabler Lösungsvorschlag gefunden wird.

residents of the west bank village after the hearing

residents of the west bank village after the hearing

Wettergespräche

Israelis lieben es, über das Wetter zu reden. Fast jedes Gespräch beginnt mit ein paar Bemerkungen über die Temperatur. Meistens so:

“Es ist so heiß. Ich hasse die Hitze; Ich wünschte ich wäre irgendwo, wo es kalt ist”, sagen sie.

 “Oh sag das bloß nicht. Ihr habt so ein Glück, ich hasse die Kälte.”

 “Ich würde sie lieben. Wenn es kalt ist, zieht man einfach mehr Klamotten an. Aber hier…selbst wenn man nakt laufen würde, würde man noch schwitzen.”

 “Überhaupt nicht.  Irgendwann kann man sich einfach nicht mehr dicker anziehen. Deine Finegrspitzen frieren ab, das Gesicht brennt.”

 “Mir würde es trotzdem gefallen. Hier fängt man schon an zu schwitzen, wenn man nur über die Straße läuft. Andauernd muss man duschen”

 “Und es regnet! Es regnet so viel. Immer wenn du dein Haus verlässt, musst du eine warme Jacke und einen Regenschirm mitnehmen. Hier kann man den ganzen Tag in Shorts und T-Shirt rumlaufen.”

 “Genau das ist das Proplem. Man trägt immer Shorts und T-Shirts, man kann nie coole Klamotten anziehen.”

 “So ein Quatsch. In Deutschland kaufst du dier ein hübsches Kleid und du kannst es nie anziehen. Du könntest eine Leggins drunter ziehen, aber selbst dann musst du deinen stinkigen, grauen Regenmantel überziehen, bevor du das Haus verlässt. Also siehst du immer gleich aus. Egal, was du drunter anhast.”

Die Diskussion wird hitziger. Wir ziehen unsere Smartphones, sie zeigen mir Fotos von den Riesengebirge in Tschechien, Seattle oder ihrem Skiurlaub. Ich zeige Fotos von dem Tag, an dem meine Universität durch Gewitterstürme überflutet wurde.

Keiner von uns wird nachgeben. Nach einer Weile lassen wir es gut sein. Wir schütteln die Köpfe über so viel Naivität. Dann bestellen wir Bier. Sie bestellen irishes Guinness, ich möchte israelisches Goldstar.

Diese Gespräche lassen mich innerlich schmunzeln. Es ist als ob einem ein Spiegel vorgehalten wird, und man merkt wie stur man doch ist, zu erkennen, dass wir eigentlich alle gleich sind.

The Gras is always greener on the other side.

„Was wollen Sie in Israel?“

Die Beantwortung dieser Frage ist ziemlich komplex, ich müsste weit ausholen, doch das Umfeld lädt nicht zu großen Ausschweifungen ein.  Ich stehe vor einem schwarzen Pult, unweit des Check-In-Schalters, an dem ich gerne meinen Koffer aufgeben würde. Hinter dem Pult steht ein junger Mann mit pausbäckigem Gesicht und schaut mir streng in die Augen. Er heißt Ariel. Den Nachnamen habe ich nicht verstanden als er sich mir vorstellte und mir gleichzeitig meinen Reisepaß abnahm.

Ich halte mich an die Fakten, fange an zu erklären, doch weit komme ich nicht. „Was haben Sie studiert?“, unterbricht er mich. Verdutzt antworte ich. Aber wenn man Wirtschaft studiert wird man doch nicht Journalist! Warum haben sie nicht Journalismus studiert? Die Frage habe ich mir selbst schon oft gestellt, aber ich fühle mich jetzt nicht danach, das mit ihm hier auszudiskutieren.  Er lächelt höflich, aber er lässt nicht locker. Journalist kann man auch in Deutschland sein, warum will ich gerade nach Israel?

Je mehr ich erkläre umso mehr hakt er nach. Das Pult und die penetrante Fragerei geben mir das Gefühl, ich befände mich in einer Mädchenschule zur wilhelminischen Zeit. Anstatt mit dem Rohrstock pocht Ariel mit meinen Reisepass leicht auf das Pult, während ich nach Antworten suche. Das Gespräch dauert jetzt schon eine Weile an, 10-15 Minuten. Sehnsüchtig schaue ich auf die Leute an den Pulten neben uns. Die meisten, die mit mir angestanden haben, durften schon längst zum Check-In-Schalter weiterziehen.

Ariel ist ungefähr so alt wie ich. Er lächelt ununterbrochen, um seine Mundwinkel krauseln sich drollige Fältchen. Doch sobald ich zu einer Antwort ansetze, durchdringt er mich mit seinen prüfenden Blicken. Ich würde gerne wissen, was er über meine holprigen Erklärungen denkt, seine Mine ist unergründlich. Habe ich denn nicht endlich alles gesagt, was er hören will?

„Glauben Sie denn Haaretz ist eine bedeutende Zeitung?“, fragt er, nachdem er mich zuvor schon eine Weile zu meinem Praktikum ausgefragt hat. „Ja kennen Sie sie denn nicht?“, platz es wütend aus mir heraus. Er lächelt freundlich, „Aber natürlich!“

Dann schiebt er meinen Reisepass ein wenig in meine Richtung und sagt mit seiner sanfter Stimme und dem leichten Akzent: „Ich habe nicht genau verstanden. Warum genau wollen Sie nach Israel?“

Hätte ich vorher meinen Reiseführer gelesen, oder mich im Internet informiert, wäre mir bewusst gewesen, dass diese Art von Sicherheitsvorkehrungen bei Flügen nach Israel gang und gäbe ist. Von Reisen in die USA ist man ja schon einiges gewöhnt, doch bei den israelischen Sicherheitsvorkehrungen geht es nicht nur darum, eine Bombe, sondern auch den Bomber ausfindig zu machen.

Besonders ausgefragt werden arabische Fluggäste, Menschen mit nicht eindeutig definierten Berufen wie Künstler oder Journalisten und allein reisende Frauen, da  diese von Terroristen verführt und zu Selbstmordattentaten getrieben worden sein könnten. Die Sicherheitsbeamten versuchen durch gezielte Fragerei Widersprüchlichkeiten zu finden und so einen Attentäter zu entlarven.

Bei der von mir gewählten israelischen Fluglinie El Al sind die Sicherheitsvorkehrungen besonders streng. Auf Flugzeuge dieser Linie sind schon mehrfach Terroranschläge versucht worden. Die Flugzeuge fliegen mit bewaffnetem Personal, auf dem Rollfeld wird die Maschine von Sicherheitsfahrzeugen geschützt, die Star- und Landebahn wird kurzfristig abgeändert. Die Fluglinie besitzt eine abgetrennte Sektion im Terminal, wo sie eigene, von israelischen Sicherheitsbeamten durchgeführten, Security-Checks betreibt. (Siehe Focus, N-TV)

Im Nachhinein bin ich froh, das vorher nicht gewusst zu haben.Man kann sich anscheinend daran gewöhnen, die mitreisenden Israelis und Araber ließen die Prozedur mit stoischer Ruhe über sich ergehen. Die Sicherheitsbeamten sind dabei äußerst zuvorkommend. Während ich in einem kleinen, neonbeleuchteten Raum meine Schuhe durchleuchtet bekomme, kriege ich ein Glas Wasser und ein Prospekt über Israel. Eine Beamtin plaudert mit mir über meine Hose und Vero Moda. Da ist es fast gar nicht mehr so schlimm, dass sie gerade den gesamten Inhalt meines Handgepäcks auf einen Metalltisch ausschüttet.

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